Kritische Stimmen beherrschten den Automobilkongress „Der Antrieb von morgen“ der Fachzeitschrift MTZ aus dem Verlag Springer Fachmedien. Bis gestern hinterfragten 140 Entwickler, Forscher und Automanager von Autoherstellern, Zulieferern und Hochschulen im „Congress Park Hanau“ den heutigen Stand der Diskussion um die Beiträge, die der Autoverkehr zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann.


Mit der Serienfertigung von Fahrzeugen mit Brennstoffzelle wird der VW-Konzern frühestens im Jahr 2030 beginnen. Dabei soll die neue Technik nicht im Pkw, sondern zuerst in Lastwagen und anderen großen Fahrzeugen eingeführt werden.

Das kündigte Jürgen Jablonski, Entwicklungschef für die Brennstoffzelle bei Audi und im VW-Konzern, an. Jablonski bestätigte, dass Audi eine Kleinserie eines Luxus-SUV mit Brennstoffzelle produzieren werde. Als Zeitpunkt nannte Jablonski die Jahre 2022 oder 2023.

Die Brennstoffzelle des Konzerns – so Jablonski – werde so entwickelt, dass sie in zahlreichen Anwendungsbereichen eingesetzt werden könne. Jablonski nannte neben Lkw und Pkw auch Züge, Schiffe, Fluggeräte, Busse und Haushalte. Nur so komme der Konzern auf die notwendigen Stückzahlen. Als Mindestgröße nannte Jablonski die Produktion von mindestens 100.000 Brennstoffzellen pro Jahr.

Der Bedarf zur Einführung der Antriebstechnik mit CO2-freiem Wasserstoff sei beim Lkw eindeutig am größten. Auch im SUV sei die Technik gut denkbar, so Jablonski. Zwar sei der VW-Konzern auch jetzt schon wie Toyota in der Lage, Fahrzeuge mit Brennstoffzelle auf den Markt zu bringen. Doch das mache keinen Sinn, weil die Kosten für die Brennstoffzelle noch zu hoch für eine Serienfertigung seien.

„Zunächst konzentrieren wir uns auf das Elektroauto, pflegen die traditionellen Antriebe weiter und steigen anschließend in die Brennstoffzelle ein“, so Jablonski. In zehn bis 15 Jahren würden dann die Fahrzeuge mit Brennstoffzelle in Serie gehen. Es gehe darum, auch mit der Brennstoffzelle Geld zu verdienen.

Die Autoindustrie muss die Politik stärker als bisher davon überzeugen, dass die europäischen Klimaziele nur dann erreichbar sind, wenn auch der CO2-Ausstoß der Autos im Bestand über synthetische Kraftstoffe gesenkt wird. „Wir müssen den Dialog mit der Politik intensivieren. Die Politik glaubt, dass diese E-Fuels nur eine Hintertür sind, um aus der E-Mobilität auszusteigen“, sagte der frühere Schaeffler-Vorstand Prof. Peter Gutzmer.

Das Elektroauto allein erreicht die Klimaziele nicht (ddp images).
Das Elektroauto allein erreicht die Klimaziele nicht (ddp images).

Seiner Meinung nach werden die Klimaziele nicht einmal dann erreicht, wenn das Ziel der Bundesregierung erreicht wird, bis 2030 zehn Millionen Elektroautos und PlugIn-Hybride auf die Straße zu bringen. „Dadurch werden wir rund 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Um das Klimaziel des Verkehrsbereichs zu erreichen, müssen wir bis 2030 die Emissionen jedoch um 80 Millionen Tonnen CO2 reduzieren.“

Das sei nur zu schaffen, wenn die dann noch fahrenden 37 Millionen Diesel- und Otto-Fahrzeuge ihren CO2-Ausstoß absenken. Als Vorsitzender der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen FVV und Mitglied der Nationalen Plattform Mobilität will Gutzmer deshalb stärker den Dialog mit der Bundesregierung und Umweltverbänden suchen. Deutschland müsse endlich massiv in die Produktion von E-Fuels einsteigen.

Die deutsche Autoindustrie sollte nicht dem Beispiel von VW folgen und sich überwiegend auf das Elektroauto konzentrieren. „Wer sich auf E-Autos konzentriert, verliert automatisch Märkte wie Afrika oder auch Teile von China“, warnte der CEO des Motoren- und Antriebsentwickler FEV, Prof. Stefan Pischinger. Auch in China würden weiterhin Motoren entwickelt, Teile des Landes seien für Elektromobilität nicht erschlossen.

Außerdem werde das Elektroauto in China längst kritischer beurteilt, seit auch die überwiegend auf Kohle basierende Energieerzeugung in die CO2-Bilanz mit einbezogen werde. „Die Chinesen sind auf jeden Fall technologieoffener“, so Prof. Pischinger. Mit seiner Strategie stehe VW allerdings weitgehend allein da. „Unter unseren Kunden können wir keine alleinige Fokussierung auf den Elektroantrieb feststellen.“

Mit dem Elektroauto lassen sich die Klimaziele nach Meinung des Automobilzulieferers Schaeffler nicht erreichen. Die vom Gesetzgeber festgelegte Einstufung der Elektroautos als emissionsfrei verstelle den Blick darauf, dass beim deutschen Strommix des Jahres 2030 selbst Elektroautos den CO2-Ausstoß nur um maximal 50 Prozent reduzieren, sagte Jochen Schröder, Leiter des Unternehmensbereichs E-Mobilität bei Schaeffler.

Die Industrie sucht Lösungen für die Zukunft (ddp images).
Die Industrie sucht Lösungen für die Zukunft (ddp images).

Man müsse so schnell wie möglich wegkommen von der sogenannten Tank-to-Wheel-Betrachtung der CO2-Emissionen, bei denen nur die Umwandung der Energie im Fahrzeug betrachtet wird, nicht jedoch die Herstellung der Energie.

„Wenn wir nur Tank-to-Wheel betrachten, dann springen wir zu kurz. In der Realität kommt es nicht auf die Antriebsart an. Es kommt viel mehr auf die Energiekette an“, so Schröder. „Man kann Strom aus der Verbrennung von Kohle gewinnen und fährt dadurch mit einem Elektroauto keineswegs CO2-frei. Man kann ein Auto mit Otto- oder Dieselmotor mit synthetischem Kraftstoff betreiben, der mit Sonnenenergie gewonnen wird, und fährt CO2-frei.“

„Die Politik muss im nächsten Schritt von der Tank-to-Wheel-Betrachtung abrücken, weil wir das 2-Grad-Ziel so nicht erreichen werden.“ China sei bereits dabei, eine Neubewertung vorzunehmen. Dort werde inzwischen auch der Energiemix in die Bewertung mit einbezogen, so dass das Elektroauto nicht mehr uneingeschränkt positiv bewertet werde.

Schaeffler rechnet damit, dass nur über hohe Flottenanteile von Hybrid-Fahrzeugen und effizientere Verbrenner eine breite CO2-Reduzierung im Verkehr möglich ist.

Die VW- und Continental-Tochter IAV, eine der größten Ingenieurgesellschaften in der Automobilindustrie weltweit, hat eine technologieoffene Diskussion über CO2-einsparende Automobile gefordert. Das batterieelektrische Auto sei keineswegs die beste Lösung für alle Fahrzeugsegmente , sagte Christoph Danzer, IAV-Manager für Antriebstechnik und früherer Professor an der TU Chemnitz.

Automobile mit Brennstoffzellen könnten ein schlüssiges Konzept sein (ddp images).
Automobile mit Brennstoffzellen könnten ein schlüssiges Konzept sein (ddp images).

IAV hat die CO2-Ersparnis aller gängigen Antriebstechniken mit den Kosten in Relation gesetzt. Wird auch die Energieerzeugung einbezogen, so kann laut IAV ein Elektroauto beim deutschen Energiemix 2030 den CO2-Ausstoß auf bestenfalls 77 Gramm pro Kilometer senken. Autos mit Verbrennungsmotor liegen 2030 mit im Schnitt 95 Gramm zwar darüber, der Abstand ist aber geringer als erwartet.

Durch Entwicklung synthetischer Kraftstoffe ließe sich diese Lücke bei vertretbaren Kosten schließen. Laut IAV würde Deutschland bei Umstellung der gesamten Fahrzeugflotte auf Elektroautos den CO2-Ausstoß um maximal 50 Prozent reduzieren. Allerdings würden die Fahrzeugkosten um 81 Prozent steigen.

Würde Deutschland dagegen auf einen Mix aus Elektrofahrzeugen, Hybridfahrzeugen und effizienten Verbrennern setzen, ließe sich der CO2-Ausstoß um 26 Prozent senken bei einem Kostenanstieg von nur 30 Prozent. Gerade bei größeren Autos sieht IAV die Hybridtechnik im Vergleich zum reinen Elektroauto im Vorteil.

Zugleich sei es notwendig, verstärkt auf synthetische Kraftstoffe zu setzen, um auch den CO2-Ausstoß der vorhandenen Fahrzeugflotte kurzfristig zu reduzieren. „Wir brauchen eine offene Technologiediskussion“, fordert Danzer. „Auch der Diesel hat weiter seine Berechtigung.“ Wolle man den CO2-Ausstoß drastisch senken, müsse man sich eigentlich viel stärker um Schiffe, Flugzeuge und den Schwerlastverkehr bemühen. „Hier spielt energietechnisch die Musik“, so Danzer. Doch dort passiere viel zu wenig.

Shots Magazin / © Fotos: ddpimages.com / Quelle: ampnet, Sm

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Rubriken: Motor