Glück muss man haben. Toyota hatte Glück mit der Idee, einen Großteil der 64 in Deutschland insgesamt verfügbaren Brennstoffzellen-Fahrzeuge vom Typ Mirai in einer Art Sternfahrt von Berlin oder Köln nach Hamburg rollen zu lassen. Problemloses Fahren, große Reichweite und der schnelle Tankvorgang sollten das Lernziel sein.


Gleichzeitig geschah in Hamburg Bemerkenswertes. Die Ministerpräsidenten und Bürgermeister der norddeutschen Länder und Hansestädte verkündeten einen Pakt zugunsten der Wasserstoff-Wirtschaft. Toyota hatte mit seiner Aktion nur dazu beitragen wollen, das Thema Wasserstoff aus dem Dornröschenschlaf zu befreien – zumindest bei Medien. Die Politiker des Nordens haben konkretere Interessen.

Sie sehen die Wasserstoff-Wirtschaft als eine Wachstumschance für die gesamte Region und ganz Deutschland: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Uli Wachholtz, der Präsident des Unternehmerverbands Nord, und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Sie alle sehen die Verbindung von Wind und Wasserstoff als eine ebenso zukunftsträchtige wie unendliche Ressource des Nordens, ganz ohne Abhängigkeiten wie bei Erdöl, Lithium, Kobalt und anderen Rohstoffen aus nicht immer sympathischen Regionen.

Wir lassen den Windstrom verpuffen

Heute leben sie mit einem Überfluss, den sie schleunigst abbauen wollen: Windräder stehen oft still, wenn niemand ihren Strom abnehmen will. 2017 sind so 5,4 Terrawattstunden nicht produziert worden. Der Stromverbrauch des gesamten Verkehrs in Deutschland war 2017 nur doppelt so hoch. Umgerechnet auf einen Personenwagen mit Brennstoffzelle wären das 14 Millionen Fahrkilometer gewesen. Das alles verpuffte 2017 und heute noch viel mehr. Diesen Strom wollen nicht nur die Politiker genutzt sehen. Immer mehr Unternehmen erkennen ein Geschäft.

Viele kleine und große Elektrolysier-Anlagen entstehen vorwiegend im Norden. Da sind die großen Energieunternehmen ebenso dabei wie neue Mitspieler. Sie alle wollen den Strom hernehmen und damit aus Wasser den Wasserstoff (H2) erzeugen. Der kann Kohle im Kraftwerk ersetzen, im Haushalt heizen und kochen und unter anderem auch als Treibstoff der Brennstoffzelle dienen, die dann wiederum den Strom für den Antrieb von Schiffen, Nutzfahrzeugen und ganz normalen Personenwagen liefert.

Soweit die schillernd grüne Perspektive für die Elektromobilität der Zukunft. Allzu gern wird sie als Utopie belächelt, gerade im Hinblick auf den Verkehr. Das Henne-und-Ei-Problem wird dann bemüht, garniert mit den unglaublichen Kosten für die H2-Infrastruktur. Aber lässt sich der Wasserstoff als Energiequelle und -speicher einfach so in die Ecke stellen?

Toyota Mirai an der Wasserstoff-Tankstelle in Münster
Toyota Mirai an der Wasserstoff-Tankstelle in Münster

Angesichts der Wasserstoff-Allianz des Nordens müssten einige ins Grübeln kommen. Da richtet Herbert Diess seinen kompletten Konzern auf die batterieelektrischen Fahrzeuge aus und sein Hauptaktionär, das Land Niedersachsen, setzt auf die Wasserstofftechnologie. Ist die Allianz für Ministerpräsident Weil eine weitere Option für Anwendungen außerhalb der Automobilindustrie oder ein Statement, das in Wolfsburg gehört werden soll?

Batterie ein Garant für die Zukunft?

Zweifel an der Richtigkeit der heutigen Konzentration auf die Batterie sind in Regierungskreisen sonst üblicherweise nicht angesagt. Das verdeutlichen die neuen französisch-deutschen Beteuerungen, bei den Batterien die Aufholjagd gemeinsam zu beginnen und außerdem das Bemühen des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) um ein deutsches Batteriekonsortium. Heute leben und arbeiten alle mit der Überzeugung: Wer die beste Batterie hat, dem gehört die Zukunft – und das nicht nur im Automobilbau. Aber liegt der Erfolg dieser Strategie wirklich so klar vor uns?

Drei Episoden sollten reichen, um Zweifel zu nähren. Schon bei einem Frage- und Antwortspiel mit Journalisten auf dem Genfer Automobilsalon 2016 wurde ein Konflikt zwischen den Technologien deutlich, der nichts mit deren Eignung zu tun hat. Auf eine Frage nach dem Energieträger der Zukunft für die Elektromobilität antwortete der damalige Daimler-Entwicklungsvorstand Prof. Thomas Weber, das werde Wasserstoff sein.

Niemand wolle ständig eine halbe Tonne Batterie zusätzlich mit sich herumfahren. Konzernvorsitzender Zetsche holte die Aussage umgehend ein. Jetzt gehe es um die Batterie, in ferner Zukunft auch mal um den Wasserstoff.

Es fehlt die Zeit für Alternativen

Da zeigt sich der Chef, der für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich ist. Denn worum es jetzt in der deutschen Automobilindustrie wirklich geht, ist nicht die Suche nach der besten Form der Elektromobilität. Die strengen Abgas-Grenzwerte stehen dicht vor der Tür. In der notwendigen Geschwindigkeit sind die nur mit der Batterie im PlugIn-Hybrid mit dem üblichen Elektro-Bonus der EU oder im rein batterieelektrischen Auto zu erfüllen.

Die Einführung der Wasserstoff-Technologie dauert zu lange. Deswegen hält auch niemand die Politik davon ab, fest an die Batterietechnologie zu glauben. Die soll es bringen. Aber kann sie das?

Dazu eine zweite Episode: Urlaubszeit. Wer kennt nicht die Staus an den Tankstellen? Wie viele Ladesäulen müsste man dort wohl vorhalten, damit die Fahrt von den Alpen an die See oder umgekehrt mit batterielektrischen Autos nicht zu einer Zeitreise der besonderen Art wird? Auch die heute möglichen Reichweiten von 400 Kilometern oder mehr ändern nichts an dieser Situation.

Das Elektroauto mit Batterie ist ein Gefährt für die Stadt und ihr Umfeld. In der heimischen Garage stehen Steckdose oder Wallbox bereits. Im Zweifelsfall könnten auch Arbeitgeber zum Beispiel oder Einzelhändler in Tiefgaragen Ladeplätze anbieten, wenn das deutsche Baurecht das eines Tages zulässt und die Energieversorger genug Strom an die Säule schaffen können.

Die Chinesen steuern um

Drittens der übliche bange Blick nach China: Die Partei dort kann alles anordnen, auch das Elektroauto. Und entgegen anderslautenden Gerüchten bereitet das den deutschen Herstellern keine Sorgen. Unter ihnen verbreitet sich eher Vorfreude nach dem Motto: Dann bekommen die Chinesen endlich einmal gute Elektroautos. Doch offenbar beginnt in China ein Umdenken.

Sie steuern dort weg von der Batterie hin zum Wasserstoff. Dabei hätten doch gerade die Chinesen allen Grund, die Batterie-Euphorie hochzuhalten. Sie haben viele der unverzichtbaren Rohstoffe (Stichwort: seltene Erden) in der Hand und könnten den Rest der Welt, nicht nur die Batteriewelt, damit unter Druck setzen.

Im Zusammenhang mit der Elektromobilität hat sich die deutsche Automobilindustrie nun schon über viele Jahre den Vorwurf gefallen lassen müssen, sie verschlafe eine Technologie und überlasse das Feld den anderen. Dieser Vorwurf ist schnell als Kampfparole entlarvt. Doch die Politik und leider auch die Medien sind diesen Vorwürfen gefolgt bis nach Brüssel, wo nun gerade noch einmal schärfere Grenzwerte verabschiedet wurden.

Marketing wichtiger als Technik

In vielen Entwicklungsabteilungen arbeiten heute in Deutschland tausende Ingenieure am perfekten Batterieauto. Noch mehr gegen die eigenen Überzeugungen müssen sich nur die Marketingexperten ins Zeug legen. Es reicht ja nicht zu erklären, in fünf Jahren sei ein Anteil X aller verkauften Autos elektrifiziert. Die muss auch jemand kaufen wollen. Diesen Wandel einzuleiten, ist vermutlich die größere Aufgabe, nicht nur in Wolfsburg.

Was aber, wenn wir diese Technologie besser verschlafen hätten? Bosch kündigte jetzt an, man werde die Aktivitäten bei Brennstoffzellen-Aggregaten für Lastkraftwagen und Bussen verstärken. Das hat wieder etwas mit den verschärften EU-Abgasvorschriften zu tun. Mehr noch als die Fahrer von Personenwagen achten Spediteure auf ihre Kraftstoffkosten.

Ein Kennworth mit Brennstoffzellentechnik von Toyota transportiert sechs Mirai.
Ein Kennworth mit Brennstoffzellentechnik von Toyota transportiert sechs Mirai.

Deswegen ist eines der kaufentscheidenden Kriterien bei ihnen traditionell der Verbrauch. Und das nicht erst seit gestern. Deswegen sind die Motoren der schweren Nutzfahrzeuge bei der Effizienz weiter ausgereizt als beim Personenwagen. Die vorgeschriebene Absenkung der Emissionen können die Lastwagenhersteller aber nicht auf einem ähnlichen Weg erreichen wie die von Pkw.

Das Bonussystem für elektrische Komponenten oder Hybridantriebe ist für sie unerreichbar, der batterieelektrische Antrieb auf der Langstrecke untauglich. Bosch setzt deswegen darauf, dass es die Nutzfahrzeuge sein werden, die die Wasserstoff-Technologie voranbringen. Die Nutzis haben keine andere Chance als die Brennstoffzelle.

Nutzfahrzeuge als Technologietreiber

Aber die Probleme der Nutzfahrzeughersteller interessieren die Öffentlichkeit weniger als die der Personenwagenhersteller. Und da ist das Meinungsbild eindeutig: Wir brauchen das Batterieauto. Weniger eindimensional denkende Menschen erkennen – sobald sie informiert sind – an, dass das rein batterieelektrische Auto in der Stadt im Nahverkehr einsetzbar ist. Für die Langstrecke gibt es heute den Hybridantrieb, am besten als PlugIn.

Aber für die Langstrecke? Auch die besten Elektroautos stehen doch vor einer Ladesäule Schlange, haben die falsche Karte dabei oder zahlen horrende Preise für den Strom. Doch die öffentliche Meinung, die veröffentlichte Meinung, die Politik von der Kommune bis nach Brüssel – alle sind einer Meinung: Wir wollen das Elektroauto mit Batterie. Und so kann es uns geschehen, dass wir gemeinsam eine ganze Technologie samt daran hängender Industrie erst gegen die Wand fahren, bevor wir begreifen. Mit dem Wasserstoff lag das Gute so nah.

Warten auf den Stimmungsumschwung

Daran werden auch kleinere Serien von Brennstoffzellen-Pkw nichts ändern, auch nicht Toyota mit dem neuen Mirai, der im kommenden Jahr zu sehen sein wird. Denn die Japaner wollen pro Jahr 30.000 Exemplare bauen, hübscher und mit größerer Reichweite. Die Freaks und Nerds in den USA und Japan werden ihn kaufen und auch in Europa werden mehr landen als die knapp 360 Exemplare des aktuellen Modells.

Doch das ändert nichts an der deutschen Fixierung auf die Batterie. Gibt es Hoffnung, obwohl Unternehmen wie Mercedes-Benz ihre noch 2016 angekündigten Kleinserien von Brennstoffzellen-Fahrzeugen eingedampft haben? Ja und nicht nur wegen der norddeutschen Zusammenarbeit und der weltweit agierenden Hydrogen Alliance, der auch unsere deutschen Hauptspieler angehören.

Die Technologie haben viele fertig und könnten zu günstigen Kosten in die Produktion einsteigen. Die Brennstoffzelle lebt in den Entwicklungsabteilungen und wartet auf den Stimmungsumschwung.

Fotos: Auto-Medienportal.Net (2), Toyota (1) / Quelle: ampnet, Sm

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Rubriken: Motor