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In der Bartmühle geht es rund – im wahrsten Sinne des Wortes: die runden Walzen der hochmodernen Walzenstühle arbeiten auf Hochtouren. In den Reinigungsmaschinen wird Korn derweil von Steinen und Schmutz befreit.
Diverse Siebe trennen die verschiedenen Mehle, die anschließend durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem laufen und in Silos gelagert oder in Säcke verpackt werden. Alles geschieht vollautomatisch und penibel hygienisch.
Im Labor kontrolliert ein angestellter Müllermeister die Qualität des Mehls. Es ist laut in der Mühle und trotzdem friedlich. Alles läuft wie in einem Uhrwerk. Zeitlich genau getaktet. Mittendrin: Rudolf Sagberger.
Altehrwürdiger Müllerberuf
Der Müllermeister ist sichtlich stolz auf sein Lebenswerk und auf seinen altehrwürdigen Müllerberuf. „Ich kann mit meinen beiden Mühlen locker eine Stadt wie Landshut samt dem gesamten Umland mit Mehl versorgen“, sagt er und man merkt, dass ihn diese Tatsache zufrieden und auch glücklich macht.
Der 61-Jährige schwärmt vom Abwechslungsreichtum seines Berufs. Trotzdem findet er kaum Nachwuchs. Warum? „Wahrscheinlich, weil viele Jugendliche immer noch glauben, dass man als Müller ständig schwere Säcke schleppen muss“, vermutet der Niederbayer.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn körperlich ist der Beruf längst nicht mehr so anstrengend wie früher. Stattdessen sind technisches Verständnis, kaufmännisches Denken und Organisationsgeschick gefragt.
„Es schmerzt mich regelrecht, dass ich bis jetzt in meiner Berufslaufbahn nur sechs Müller ausgebildet habe“, sagt Rudolf Sagberger. Er wollte nie etwas anderes werden als Müller. Nach der Hauptschule hat er sofort eine Müllerlehre begonnen.
Heute ist Sagberger ein erfolgreicher Handwerksunternehmer. Zwei Mühlen betreibt er inzwischen. In der Landshuter Ellermühle ist er aufgewachsen, sie befindet sich seit fast 100 Jahren in Familienbesitz. Rudolf Sagberger bewirtschaftet die Mühle in vierter Generation. Die Bartmühle in Bruckberg-Edlkofen hat er im Jahr 2018 dazugepachtet.
Bester Nachwuchs
Vor ein paar Monaten hat die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz ihm den goldenen Meisterbrief verliehen. 1986 schloss er seine Meisterprüfung ab. Auch sein Sohn Thomas hat „Verfahrenstechnologe in Mühlen- und Getreidewirtschaft“, so heißt der Müllerberuf heutzutage, gelernt.
Mit ihm steht die fünfte Generation in den Startlöchern. Rudolf Sagberger ist froh darüber. So kann die Familientradition weitergeführt und das Unternehmen fit für die Zukunft gemacht werden.
Der 28-jährige Thomas Sagberger, der 2018 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als bester Müllergeselle Deutschlands ausgezeichnet wurde, möchte die Direktvermarktung in den beiden Mühlen ausbauen und weiter wachsen.
Überhaupt hat jede Sagberger-Generation ihre eigenen Akzente gesetzt. „Mein Opa hat während und nach dem Krieg jedem, der zu ihm kam und in Not war, Mehl gegeben. Das haben die Leute nicht vergessen“, berichtet Rudolf Sagberger.
„Noch heute gibt es Stammkunden, die mir dankbar davon erzählen und deren Familien bereits seit Generationen ihr Mehl aus unserer Mühle beziehen.“
Sagberger kauft sein Getreide nur von Landwirten aus der Region und beliefert selbst auch ausschließlich Gastronomen, Bäckereien und Pizzabäcker rund um Landshut. Auch das macht ihn stolz: „So was nenne ich perfekte regionale Heimatkreisläufe.“
Gefragtes Mehl
In der Coronakrise, erinnert sich Sagberger, habe er „teilweise Tag und Nacht“ gearbeitet, um seine Stammkunden mit Mehl versorgen zu können. Schließlich sei Mehl in den Regalen der Supermärkte mehrmals knapp geworden. „Teilweise haben Leute aus Norddeutschland bei mir angerufen und förmlich um Mehl gebettelt.“
Der niederbayerische Müllermeister hat ein hohes Berufsethos: „Ich will, dass sich meine Kunden auf mich verlassen können und ich möchte keine Massenware, sondern immer beste Qualität abliefern.“
1992 hat Rudolf Sagberger die Ellermühle von seinem Vater übernommen und sofort versucht, die Mühle auszubauen. Nur so könne man heute konkurrenzfähig bleiben. „Aktuell existieren in Bayern vielleicht noch 60 größere Mühlen, im Jahr 1910 dagegen gab es noch tausende kleinere und größere Mühlen“, sagt er bedauernd.
In der Ellermühle verarbeitet Sagberger rund 15 Tonnen und in der Bartmühle etwa 36 Tonnen Getreide pro Tag.
Unermüdliches Engagement
Unter anderem um etwas gegen das Mühlensterben zu unternehmen, engagiert sich Sagberger seit längerem im Bayerischen Müllerbund. Seit 2017 ist der Niederbayer Verbandspräsident.
Sein Ehrenamt kostet Rudolf Sagberger nach eigenen Worten viel Zeit. Zusätzlich engagiert er sich auch noch als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht in Regensburg und im Gesellen- und Meisterprüfungsausschuss.
Trotzdem käme es für den erfahrenen Handwerksmeister nicht infrage, die Hände in den Schoß zu legen.
„In Deutschland werden pro Jahr noch etwa 60 Müller ausgebildet“, sagt er. „Dafür brauchen wir hervorragende junge Leute und eine Top-Ausbildung.“
Sierks Media / © Fotos: obx-news, Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, Heike Sigel (2), lichtmetz, de.depositphotos.com (1) / Quelle: obx-news